Wie erkenne ich einen seriösen Tierschutzverein?
Auf der Suche nach einem vierbeinigen Gefährten sehen sich inzwischen viele Menschen nach einem Tier aus dem Tierschutz um. Das ist großartig und kann für beide Seiten, Mensch und Tier, ein riesiger Gewinn sein. Leider kann eine solche Adoption auch schief gehen, vor allem, wenn vor lauter Engagement die Vernunft aussetzt oder gar skrupellose "Tierhändler" die guten Absichten von Interessenten ausnutzen. Deshalb finden Sie hier einige Anhaltspunkte, wie Sie eine seriöse Tierschutz-Organisation erkennen können.
Grundsätzliches
Ist die Organisation, um die es geht, ein im Vereinsregister eingetragener Verein (e.V.)? Ist sie als gemeinnützig anerkannt? Gibt es auf der Website ein korrektes Impressum, Auskunft über den Vorstand, Ansprechpartner, die zuständige Aufsichtsbehörde (Veterinäramt) etc.? Wenn nicht, laufen Sie Gefahr, einem "schwarzen Schaf" aufzusitzen oder gar Tierhändlern Ihr Geld zu geben.
Stehen fast ausschließlich Welpen oder sehr junge Tiere zur Vermittlung? Dann fragen Sie nach, warum das so ist, und zwar beharrlich. Illegaler Hundehandel wird nicht nur mit "Wühltisch-Welpen" betrieben. Es gibt auch die angeblichen "Tierschützer", die im Ausland Mischlingswelpen aufsammeln und dann mit einer "Schutzgebühr" von 400 Euro für ungeimpfte, illegal eingeführte, womöglich kranke Welpen hierzulande ein gutes Geschäft machen!
Ein seriöser Verein, auch wenn er auf bestimmte Rassen spezialisiert ist, vermittelt meist ganz unterschiedliche Tiere, vom Welpen bis zum Senior, fröhliche und ängstliche, gesunde und kranke oder behinderte. Die meisten Vereine haben auch eine Facebook-Seite – informieren Sie sich so gut wie möglich, fragen Sie nach Erfahrungen anderer Tierhalter mit diesem Verein.
Spezialfall Auslandstierschutz
Ein Verein, der Tiere aus dem Ausland vermittelt, sollte auch Tierschutz-Arbeit vor Ort leisten oder unterstützen, etwa Kastrations- und Aufklärungsprojekte. Nur so wird sich die Situation für die Tiere langfristig verbessern. Nicht jedes Tier aus dem Ausland kann hierzulande glücklich werden. Viele kennen keine Wohnung, keinen engen Kontakt zu Menschen, oder haben noch nie einen Tag ohne die Gesellschaft anderer Hunde oder Katzen verbracht.
Natürlich gibt es auch im Auslandstierschutz die Unkomplizierten. Die Tiere, die sich hier prima anpassen und zurechtkommen. Die im Ausland schon als Haustiere und nicht etwa auf der Straße gelebt haben. Aber viel zu oft werden Tiere hierher "verpflanzt", die mit noch so viel Liebe und Verständnis bei uns kein schönes Leben führen können.
Ein Tier aus dem Ausland sollten Sie immer von einer Pflegestelle im Inland zu sich holen. Das nach Foto im Internet ausgewählte Tier direkt am Flughafen zu übernehmen, ist wirklich nur sehr erfahrenen und flexiblen (um nicht zu sagen: leidensfähigen) Menschen anzuraten.
Eine kompetente Pflegestelle hilft dem Tier, hier "anzukommen", und sie kann Ihnen so viele wichtige Informationen über das Tier geben, für das Sie sich interessieren: Kennt es Alltagsgeräusche, Treppen, Autofahren, Freigang, wie reagiert es auf Besuch oder Kinder, wovor hat es evtl. Angst und so weiter. So etwas lässt sich in der Gruppenhaltung in einem "Shelter" im Ausland kaum einschätzen, weil diese Situationen einfach nicht vorkommen.
Beratung
Wenn auf der Website des Vereins quasi jeder Hund als nur lieb, pflegeleicht und familientauglich bezeichnet wird – Vorsicht, hier sind einige Beschreibungen ziemlich sicher geschönt. Das Märchen vom grundsätzlich ach so dankbaren Tierschutz-Hund glauben Sie lieber nicht. Ein seriöser Verein beschreibt seine Tiere nicht nur ehrlich, sondern sagt Ihnen auch, dass sich jedes Tier im Verhalten noch deutlich verändern kann, wenn es erst in seinem neuen Zuhause angekommen ist, also Wochen oder Monate nach der Übernahme.
Welche Rassen bei einem Mix mitgemischt haben, lässt sich allein anhand des Aussehens oft schwer beurteilen. Gerade bei Hunden sollte man Sie aber über typische Eigenschaften der vermuteten Rasse/n aufklären.
Wichtig ist natürlich auch die ehrliche Auskunft über eventuelle gesundheitliche Probleme des Tieres, für das Sie sich interessieren – braucht es Medikamente, eine spezielle Diät? Außerdem sollten Sie über mögliche rassetypische oder regional häufig vorkommende Erkrankungen (Stichwort Mittelmeerkrankheiten) informiert werden.
Dann sind noch ganz praktische Fragen zu klären. Muss die Wohnung erst vorbereitet und z.B. ein Balkon gesichert werden? Welche Ausstattung, etwa ein Panikgeschirr für einen ängstlichen Hund, empfiehlt der Verein? Wie soll die gefahrlose Übergabe bei einem scheuen Tier ablaufen? Bitte nehmen Sie Ihrerseits den Rat des Vereins ernst, wie ein Tier evtl. zu sichern ist.
Haben Sie den Eindruck, dass man Ihnen ein Tier "aufdrängen" und es nur schnell vermitteln möchte? Wird allzu sehr auf die Tränendrüse gedrückt? Dann seien Sie misstrauisch. Zwar stehen engagierte Tierschützer oft emotional unter Druck, möglichst viele Tiere zu retten. Aber nicht jedes Tier eignet sich für jedes Umfeld oder kann dort glücklich werden.
"Listenhunde" und Herdenschutzhunde
Wie bereits erwähnt, sind Rassezugehörigkeiten oft schwer zu bestimmen (und sagen auch nicht zwangsläufig etwas über das Individuum aus.). Dennoch muss auf besondere "Rassefragen" hingewiesen werden, was Listen- oder "Anlagehunde" betrifft: so genannte "Kampfhunde" und Herdenschutzhunde.
Leider gibt es immer noch Tierschutz-Organisationen, die Interessenten absichtlich oder aus mangelnder Kompetenz nicht darüber aufklären, was es bedeuten kann, wenn in einem Mischling viel Staff oder Kangal steckt. Die Haltung von "Listenhunden" ist in vielen Bundesländern streng reglementiert, teils sogar verboten. Vermittelt man Ihnen in München einen Hund, der sich später als Pitbull-Mix entpuppt, müssen Sie diesen Hund abgeben (oder umziehen). In Hamburg beispielsweise gilt ein Kangal oder Owtscharka als "gefährlicher Hund" – neben Auflagen wie Wesenstest etc. kommen zigfach höhere Hundesteuer und Haftpflicht-Versicherungsbeiträge auf den Halter zu. Viel zu oft sieht man die wunderbaren, aber eben eigenen Herdenschützer als "super verträglicher Retriever-Mix" vermittelt … auf einen völlig ungeeigneten Platz.
Tiere allein wegen ihrer Rasse als "gefährlich" oder gar "Kampfhunde" abzustempeln, mag noch so unsinnig sein – trotzdem wird ein seriöser Tierschutzverein bei den betroffenen Rassen besonders sorgfältig arbeiten. Wenn Sie sich für einen solchen Hund interessieren, muss der Verein Sie umfassend aufklären! Holen Sie sich im Zweifel lieber eine "zweite Meinung" ein, etwa bei einem Tierarzt oder kompetenten Hundetrainer, ehe Sie sich und den Hund unglücklich machen.
Gegenseitiges Kennenlernen
Ein seriöser Verein wird Sie kennenlernen wollen bzw. "unter die Lupe nehmen". Ein Formular zur Selbstauskunft, Vorgespräch, Vorkontrolle, Nachkontrolle … ist das nicht übertrieben? Nein! Bitte erwarten Sie nicht, dass man Ihnen das Tier "hinterherträgt" vor lauter Dankbarkeit, weil Sie ein armes Geschöpf aus dem Tierschutz aufnehmen möchten. Den richtigen Platz für jedes einzelne Tier suchen, das zeichnet echten Tierschutz aus!
Ob im Tierheim oder auf einer Pflegestelle: Selbstverständlich sollten Sie und Ihr potenzieller künftiger Mitbewohner sich vor einer Entscheidung erst einmal kennenlernen können. Sind die oben genannten Eckpunkte geklärt, vereinbaren Sie mit Tierheim oder Pflegestelle, wann Sie das Tier besuchen, mit dem Hund (auch mehrmals) Gassi gehen oder sich mit der Katze in einem gesicherten Raum vertraut machen dürfen. Ein seriöser Verein wird sich freuen, wenn Sie die Entscheidung für ein Tier nicht überstürzt treffen, sondern und es evtl. auch mehrmals besuchen! (Nehmen Sie dabei bitte Rücksicht auf die Ehrenamtlichen, vor allem die Pflegefamilien, die den Tieren wie den Interessenten ihr privates Zuhause öffnen.)
Back-up
Ein seriöser Verein ist auch nach der Adoption für Sie da. Es gibt einen Ansprechpartner für Sie, falls es Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung geben sollte. Man kann Ihnen notfalls kompetente Verhaltensberater für die Katze oder den Hund empfehlen.
Bei aller Mühe der Vermittler und der neuen Halter geht es manchmal doch schief. In der Familie schlägt das Schicksal zu, oder das Tier kommt in seiner neuen Umgebung einfach gar nicht zurecht, leidet unter starker Angst oder reagiert aggressiv auf Familienmitglieder … Was dann?
Sollte der "worst case" eintreten, dass Sie das Tier wieder abgeben müssen, lässt eine seriöse Tierschutz-Organisation ihre ehemaligen Schützlinge nicht im Stich. Seien Sie ehrlich, was die Gründe für die Abgabe angeht, damit die Tierschützer das Tier besser einschätzen und unterbringen können. Vielleicht ist nicht sofort ein geeigneter (Pflege-)Platz frei, aber der Verein sollte bereit sein, die Verantwortung für das Tier wieder zu übernehmen. Das erkennen Sie beispielsweise an einer Klausel im Übernahme-Vertrag, die bestimmt, dass das Tier im Abgabefall dem Verein zurückzugeben ist.
Im seriösen Tierschutz sollte es immer um das Wohl des Tieres gehen und seine Chance auf ein glückliches Leben.